Interfraktioneller Antrag des Haushaltsbündnisses aus SPD-, CDU- und FDP-Ratsfraktionen für die Sitzung des Rates der Stadt Göttingen am 13.09.2024
Der Rat möge beschließen:
Die Verwaltung wird beauftragt, eine Digitalisierungsstrategie für die Stadtverwaltung zu erarbeiten. Diese soll im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisierung beraten und mindestens jährlich fortgeschrieben werden.
Ziele der Strategie sollen u. a. sein, für möglichst viele Dienstleistungen der Stadtverwaltung für Bürgerinnen und Bürger, juristische Personen etc. ein digitales Frontend zur Antragstellung über die Homepage anzubieten sowie für die Bearbeitung ein digitales Backend zu schaffen, über das die Bearbeitung weitestgehend automatisiert erfolgt.
Teil der Strategie soll eine Priorisierung sein, in welcher Reihenfolge neue IT-Projekte für noch nicht digitalisierte Dienstleistungen gestartet werden. Kriterien für die Priorisierung sollen u. a. sein:
Gesetzliche Vorgaben durch Bund oder Land (z. B. Onlinezugangsgesetz (OZG))
Anzahl der Personen, die diese Dienstleistung pro Jahr in Anspruch nehmen
Anzahl und Dauer der persönlichen Besuche, die aktuell für die Dienstleistung im Rathaus erforderlich sind und die durch die Digitalisierung eingespart werden können
Durchschnittliche Wartezeiten für einen Termin für die jeweilige Dienstleistung
Umfang der Entlastung des Personals des jeweils betroffenen Fachdienstes
Projektkosten für die Umsetzung sowie Betriebskosten
Verfügbarkeit von Open-Source- oder Kaufsoftware für die Dienstleistung, die evtl. nur in geringem Umfang bzw. an Schnittstellen angepasst werden muss und so besonders schnell eingesetzt wer-den könnte
Die IT-Projekte sollen im Anschluss entsprechend der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und Personalkapazitäten auf den Weg gebracht werden. Die Verwaltung wird in dem Zuge beauftragt, konkrete Projekte aus der neuen Digitalisierungsstrategie abzuleiten, die dann in den folgenden 18 Monaten umgesetzt und den Bürgerinnen und Bürgern zur digitalen Verwendung bereitgestellt werden. Darüber ist im Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisierung zu berichten.
Für die Bereitstellung der notwendigen fachlichen Expertise für die Durchführung der IT-Projekte und die anschließende fachliche Betreuung der Anwendungen soll nach Bedarf mind. eine Person aus dem betroffenen Fachdienst anteilig von der regulären Arbeit im Fachdienst freigestellt werden.
I
Auf bereits online angebotene Dienstleistungen soll darüber hinaus auf der Homepage der Stadtverwaltung prominenter hingewiesen werden. Insbesondere ist bei der Online-Terminvergabe eine ggf. vorhandene Online-Variante des Antrags zu verlinken.
Dienstleistungen für natürliche Personen, die online angeboten werden, sollen grundsätzlich auch weiterhin persönlich im Rathaus in Anspruch werden können.
Gewerblich tätige Antragstellende hingegen können, insbesondere bei einer hohen regelmäßigen Anzahl von eingereichten Anträgen, auch dazu verpflichtet werden, ausschließlich die Online-Antragstellung zu nutzen, wenn dies eine erhebliche Entlastung der jeweiligen Fachdienste ermöglicht.
Begründung:
Die Stadt Göttingen bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt sowie hier tätige Unternehmen an. Für viele Dienstleistungen ist es aktuell noch erforderlich, dass das Rat-haus persönlich aufgesucht wird, in einigen Fällen sogar mehrfach. Gerade für Berufstätige ist dies mit einem hohen Aufwand verbunden und macht es in vielen Fällen sogar notwendig, sich frei zu nehmen, nur um das Rathaus aufsuchen zu können. Auch für Familien ist es oft eine Herausforderung, notwendige Rathausbesuche und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren.
Dabei ist es bei vielen von der Stadt angebotenen Dienstleistungen möglich, diese online verfügbar und damit einen Besuch im Rathaus obsolet zu machen. Der Service für die Bürgerinnen und Bürger könnte so erheblich verbessert werden. Ziel muss es sein, dass möglichst viele Dienstleistungen aller Fachbereiche digital angeboten werden, langfristig sollten nur solche Dienstleistungen nicht online verfügbar sein, bei denen dies aus gesetzlichen Gründen nicht zulässig ist oder bei denen eine so geringe Nachfrage besteht, dass Nutzen und Aufwand einer Digitalisierung in einem sehr schlechten Verhältnis stehen.
Auch die Bearbeitung von Anträgen kann durch ein digitales Backend deutlich vereinfacht und beschleunigt werden. In den meisten Fällen wird es möglich sein, bei unvollständig oder nicht korrekt ausgefüllten Anträgen dem Antragstellenden direkt eine entsprechende Rückmeldung zu geben, so dass der Antrag vervollständigt bzw. korrigiert werden kann, ohne dass Mitarbeitende des Rathauses sich damit überhaupt beschäftigen müssen. Aber auch bei der eigentlichen Sachbearbeitung kann es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, wenn alle Informationen digital vorliegen und das IT-System bei der Bearbeitung einzelne Aufgabenschritte übernimmt bzw. erleichtert.
Uns ist bewusst, dass es aufgrund der personellen und finanziellen Möglichkeiten der Stadtverwaltung nicht realisierbar ist, alle Dienstleistungen auf einmal zu digitalisieren. Deshalb ist eine Priorisierung not-wendig, um eine Reihenfolge festzulegen, in der entsprechende IT-Projekte gestartet werden. Bereits laufende Projekte sollen dabei wie geplant fortgesetzt werden.
Bei den Kriterien sollte nach den gesetzlichen Vorgaben insbesondere die zeitliche Entlastung der Bürge-rinnen und Bürger im Zentrum stehen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird aber auch die Entlastung der Mitarbeitenden der Fachdienste immer wichtiger, um in Zukunft überhaupt noch in der Lage zu sein, alle Dienstleistungen in der notwendigen Qualität und ohne unangemessene Wartezeiten anbieten zu können. Die zu erwartenden Kosten sowie die Verfügbarkeit vorhandener Software auf dem Markt sind als weitere Kriterien zu berücksichtigen.
Die konkreten IT-Projekte sollen dann gemäß der Priorisierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und Personalkapazitäten gestartet und durchgeführt werden. Die Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung zeigen dabei insbesondere, dass es mit Geld und IT-Personal nicht getan ist. Die Mitwirkung erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den jeweiligen Fachbereichen ist zwingend erforderlich, um erfolgreich IT-Projekte durchführen zu können – beispielsweise bei der Formulierung von
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fachlichen Anforderungen oder der Durchführung fachlicher Tests. Aber auch nach Einführung einer Anwendung ist eine kontinuierliche fachliche Betreuung notwendig, sei es für Anpassungen aufgrund geänderter Anforderungen oder aber für die Unterstützung der fachlichen Kolleginnen und Kollegen oder bei der Fehlerbehebung. Die grundsätzliche Bereitschaft in den Fachbereichen ist dabei häufig sehr hoch. Damit die Mitwirkung bei der Digitalisierung nicht zu Lasten der engagierten Mitarbeitenden geht, ist es notwendig, den zeitlichen Aufwand bei der Kapazitätsplanung zu berücksichtigen und die Mitarbeitenden im jeweiligen Umfang der Mitwirkung bei der Digitalisierung von anderen Aufgaben zu entlasten.
Darüber hinaus gibt es schon jetzt einige städtische Dienstleistungen, die online in Anspruch genommen werden können, bei denen aber die tatsächlichen Nutzungszahlen noch ausbaufähig sind. Ein Beispiel da-für ist die Beantragung von Führungszeugnissen. Die Möglichkeit, dies online zu erledigen, ist leider noch zu wenigen Menschen überhaupt bekannt. Ein Grund dafür ist beispielsweise, dass auch auf der Homepage der Stadt Göttingen die Terminvergabe für einen Termin im Rathaus deutlich einfacher zu finden ist als der jeweilige Online-Service.
Da es einige, insbesondere ältere, Bürgerinnen und Bürger gibt, die sich mit der Wahrnehmung von digitalen Angeboten schwertun, ist es uns trotz aller Digitalisierungsbemühungen wichtig, dass auch der persönliche Besuch im Rathaus bei allen Dienstleistungen weiter möglich bleibt.
Bei gewerblich tätigen Antragsstellenden, die in hoher Anzahl Anträge bei der Stadtverwaltung einreichen, kann wiederum erwartet werden, dass diese die digitalen Möglichkeiten nutzen, wenn dies zu einer erheblichen Entlastung der Fachdienste führt. So gibt es aktuell beispielsweise im Bereich der KfZ-Zulassungs-dienste einige Firmen, die in hoher Anzahl Zulassungsanträge in Papierform in der Zulassungsstelle abgeben, die dann von den Mitarbeitenden abgetippt werden müssen. Wenn stattdessen hier das bereits vorhandene i-KFZ genutzt wird, könnten Mitarbeitende massiv entlastet und die Wartezeiten für Bürgerinnen und Bürger reduziert werden. Geschieht die Nutzung dieser Möglichkeit nicht auf freiwilliger Basis, soll die Stadtverwaltung in Zukunft die Möglichkeit bekommen, diese Personen/Firmen zur Nutzung des Digital-Angebots zu verpflichten.