Junge Menschen brauchen Möglichkeiten des Engagements und der politischen Teilhabe, die über die klassischen Verfahren hinausgehen – Verfahren, die zeitgemäß sind und sich an ihrer Lebenswelt orientieren. Die Formen und Arten, in denen sich junge Menschen ins politische oder gesellschaftliche Geschehen einmischen, sind vielfältig und verändern sich.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
- Wie werden Kinder und Jugendliche zurzeit in Göttingen bei politischen Prozessen beteiligt?
- Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung die politische Partizipation von Jugendlichen in Göttingen zu verbessern?
- Gibt es in der Stadt Göttingen bereits Erfahrungen mit Jugendbeteiligung? Wenn ja, wie sieht diese aus?
- Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung moderne Jugendbeteiligung durch digitale
Antwort der Verwaltung auf die Anfrage der/des für die Sitzung des RatesSPD-Ratsfraktion
15. 06.2018
Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen
Stadtrat Lieske
Zu 1.:
Im Bereich der Schulen wird für die Stadt Göttingen jeweils ein Stadtschülerrat gebildet. Den Stadtschülerrat der Stadt Göttingen wählen die Schülerräte der im Stadtgebiet befindlichen öffentlichen Schulen und der Schulen in freier Trägerschaft, an denen die Schulpflicht erfüllt werden kann.
Der Stadtschülerrat kann Fragen beraten, die für die Schülerinnen und Schüler von besonderer Bedeutung sind. Einen Aufgabenkatalog gibt es nicht. Der Stadtschülerrat ist daher frei in der Auswahl der Themen und der Aufgaben, derer er sich annehmen will.
Schulträger und Schulbehörde haben dem Stadtschülerrat die für ihre Arbeit notwendigen Auskünfte zu erteilen und rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme und zu Vorschlägen zu geben.
Der Vorstand des Stadtschülerrates hat darauf zu achten, dass die Belange aller im Stadtgebiet vertretenen Schulformen angemessen berücksichtigt werden.
Es bereitete in diesem Jahr erhebliche Probleme, die Wahl des Stadtschülerrates zu organisieren, da Ansprechpartner auf Seiten des Stadtschülerrates fehlten. Der Stadtschülerrat entsendet ein Mitglied in den Schulausschuss, das dort auch stimmberechtigt ist.
Der von der Verwaltung intensiv unterstützte Versuch, das Projekt „Pimp Your Town!“, das Kommunalpolitik-Planspiel zur Jugendbeteiligung von Politik zum Anfassen e.V. in Göttingen durchzuführen, ist an mangelndem Interesse der Schulen gescheitert.
Daneben gibt es derzeit keine konstante Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen Prozessen in Göttingen.
Indirekt sind Kinder- und Jugendliche über die Vertreter/innen der Jugendverbände im Jugendhilfeausschuss beteiligt.
Seit Herbst 2017 gibt es einen „Workshop Jugendbeteiligung“. Ein erstes Treffen fand am 21. 11. 17 statt. Seitdem finden diese Workshops in den Räumlichkeiten des Stadtjugendrings Göttingen statt.
Teilnehmende sind die Jugendverbande der fünf größeren demokratischen Parteien (Grüne Jugendliche Jusos, Junge Union, .Junge Liberale, Linksjugend solid) sowie Schüler/innen der Göttinger Gymnasien und Gesamtschulen. Die Zahl der Teilnehmenden ist in letzter Zeit geschrumpft.
Die Workshops werden durch die Jugendlichen selber gestaltet. Ziel des Workshops „Jugendbeteiligung“ ist die Einrichtung eines Jugendparlaments in Göttingen. Themen waren bisher Wahlmodus Altersspanne Interessenserhebung bei den Jugendlichen Öffentlichkeitsarbeit.
zu 2.:
Als Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es repräsentative Beteiligungsverfahren, offene Beteiligungsformen, projektorientierte Beteiligungsformen, anwaltschaftliche Beteiligungsformen, die Vertretungen von Kindern und Jugendlichen in Erwachsenengremien (vgl. Bertelsmann Stiftung.
Eine Stadt für uns alle – Handbuch zur Entwicklung kommunaler Strukturen für die Jugendbeteiligung“). Beteiligungen von Kindern- und Jugendlichen Z.B. in Form eines Jugendparlamentes oder eines Kinder- u. Jugendbeirates sollten zunächst von den Kindern und Jugendlichen selbst als Idee entwickelt und herangetragen werden. Dies findet zzt. offensichtlich im „Workshop Jugendbeteiligung“ statt. Dieser Prozess könnte auch durch eine Fachkraft unterstützend begleitet werden, die finanziert werden müsste.
Im Falle der Umsetzung würden sich dann logistische Unterstützung (Bereitstellung von Räumlichkeiten/ Büro inklusive Ausstattung) sowie die Bereitstellung personeller Ressourcen (mindestens in Form einer halben Stelle für Verwaltungsaufgaben, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation) empfehlen.
Für die Umsetzung von Vorhaben und Projekten sollte einer solchen Beteiligungsinstanz ein festes Budget zur Verfügung gestellt werden. Diese Einschätzung resultiert aus den Erfahrungen in anderen Kommunen.
Eine erste Auswertung einer Befragung im Rahmen des Projektes „Urban Rural Solution“ (vgl. dazu Punkt 3) macht deutlich, dass sich Jugendliche Beteiligung vorrangig im schulischen Kontext wünschen (Workshops, Beteiligungsveranstaltungen in der Schule).
Eine unmittelbare Beteiligungsform z. B. als Zukunftswerkstatt im schulischen Kontext in Koordination zwischen Schule und Fachbereich Jugend erscheint daher sinnvoll. Finanzielle Mittel müssten dafür zur Verfügung gestellt werden.
In diesem Zusammenhang ist auf das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zu verweisen. Es ist vor wenigen Wochen durch Ministerin Giffey entfristet worden und hat somit eine Zukunftsperspektive.
Das Bundesprogramm fördert in den Kommunen u.a. die lokale Partizipation, Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit, ein Aktions- und Initiativfonds (wird) bereitgestellt und es kann ein partizipativ gestalteter Jugendfond unterstützt, werden“ (Bundesprogramm S. 2). Für jedes bewilligte Projekt stehen grundsätzlich bis zu 100.000, Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung, und zwar
-bis zu 45. 000,- Personal- und Sachausgaben einer verwaltungsexternen Koordinierungs und Fachstelte
– bis zu 20.000 Euro für einen Aktions- und Initiativfonds
– bis zu 5. 000 Euro für einen Jugendfonds zur Umsetzung von Einzelmaßnahmen
– bis zu 10. 000 Euro für Partizipation, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit und Coaching.
Die Kommune ist Antragsteller und Zuwendungsempfänger und hat dafür ein federführendes Amt zu benennen, das u.a. die ordnungsgemäße Mittelverwendung sicherzustellen hat.
zu 3.:
Die Beteiligungen von Kindern und. Jugendlichen in Göttingen erstrecken sich auf Planungsprojekte im Quartier, Beteiligungen in Einrichtungen und mittelbare Befragungen.
- Beteiligung findet regelmäßig bei der Errichtung oder Erneuerung von Spielplätzen statt. Dies wird in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt. Abschließend stimmen die Kinder über die Vorschläge ab. Der meist benannte Vorschlag wird realisiert. Die Beteiligung hatauch schon in Form von Workshops (2017: SP Rosenwinkel sowie SP Johanniskirchhof/ Kuqua) stattgefunden. Die Erfahrungen mit der Beteiligung bei der Gestaltung der Spielplätze zeigen positive Wirkung und trugen bisher zur Zufriedenheit der Nutzer/innen bei.
- In den städt. Einrichtungen der offenen Kinder- u. Jugendarbeit werden die Kinder u. Jugendlichen bei der Planung der Freizeitangebote sowie räumlichen Veränderungen beteiligt. Im Rahmen der Möglichkeiten werden die Wünsche der Kinder und Jugendlichen umgesetzt. Die Beteiligung in den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit tragen zu einer ausgewogenen und bedürfnisorientierten Ausgestaltung des Freizeitangebotes bei. Die Beteiligung der Kinder- u. Jugendlichen ist allerdings sehr schwankend. Die Beteiligung bei baulichen Veränderungen verursacht bei Jugendlichen häufig Frustration verknüpft mit Rückzug, weil die Wünsche aus meist finanziellen oder logistischen Gründen nur in geringe, Umfang umgesetzt werden können oder sich der Weg der Umsetzung als langwierig erweist.
- 2010 wurde eine Schüler/innenbefragung als mittelbare Beteiligungsform zum Thema offene Jugendarbeit durchgeführt. Die Befragung wurde im Auftrag der Stadt Göttingen vom Stadtjugendring durchgeführt. Die Auswertung erfolgte durch ein externes Institut. Befragt wurden Schüler/innen der Klassenstufen 6-10 (Methode: Paper& Pencil). Abgefragt wurden der Bekanntheitsgrad der Angebote, die Erwartungen an Angebote sowie die Bedarfssituation. Die Befragung war mit erheblichem logistischem und finanziellem Aufwand verbunden. Die Ergebnisse flössen in das „Rahmenkonzept der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Göttingen“ ein.
- 2017 war die Jugendhilfeplanung der Stadt Göttingen an einem „Projekt zur Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“ beteiligt („Urban Rural Solution“). Das Projekt ist angelegt als eine Kooperation des Landkreises und dem Institut für Landes-und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund. Geplant war das Projekt als Onlinebefragung an Schulen zum Thema Mobilität u. Freizeitverhalten von Jugendlichen. Aus Datenschutzgründen konnten nur Jugendliche ab 16 Jahren befragt werden. Aufgrund von verschärften Datenschutzbestimmungen u. anderen Hürden wie technischen Problemen war die Beteiligung sehr niedrig, so dass das Format auf Offline (Befragung an Hand von Fragebogen) umgestellt werden musste.
zu 4.:
Digitale Jugendbeteiligung bietet neuartige Möglichkeiten, um Jugendliche zu erreichen und ihnen niedrigschwellige Partizipation zu ermöglichen.
Digitale Jugendbeteiligung greift im Unterschied zu klassischen Formen der Beteiligung auf elektronische Medien zurück. Dies können Z. B. online-gestützte Tools (ePartizipation), Blogs oder auch die Beteiligung mit Hilfe von digital erstelltem Video- und Audiomaterial sein. Wie stark digitale Medien eingebunden werden sollten, hängt davon ab, was mit dem Beteiligungsprozess erreicht werden soll.
In den allermeisten Fallen kommen Beteiligungsprozesse aber nicht ohne den analogen Kontakt zwischen den Jugendlichen untereinander, mit Multiplikator/innen oder den Verantwortlichen in Politik oder Verwaltung aus. Elektronische Medien können die Jugendbeteiligung unterstützen sowie ergänzen und vielleicht spannender gestalten, u. a. weil sie Jugendlichen die Möglichkeiten geben, ihre Ideen zu veranschaulichen (z. B. durch Videos oder Fotoprojekte). Auch können sie mit Hilfe von digitalen Tools ihre Forderungen, und Vorstellungen in einen größeren Beteiligungsprozess einbringen und diskutieren oder bewerten Die Entscheidungsträgerin der Politik oder Verwaltung können ebenfalls mit Hilfe der Tools mit den Jugendlichen kommunizieren.
Es ist aber festzustellen, dass digitale Medien nicht aus sich heraus Beteiligungsprozesse von Kindern und Jugendlichen generieren können. Digitale Medien bleiben stets nur Tools, die das vorhandene Instrumentarium ergänzen, auch Z.T. effektiver machen können. Beim Einsatz digitaler Medien zur Jugendbeteiligung gelten aber stets die gleichen Grundsätze wie in analogen Beteiligungsformaten.
Der Landesjugendring Niedersachsen entwickelt zzt. das Projekt „We decide – Jugend mischt mit!“ Medien umzusetzen? (Stichwort – digitale Teilhabe)