Gemeinsame Erklärung des SPD-Stadtverbands Göttingen und der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Göttingen
Erst das Iduna-Zentrum, nun die Wohngebäude in der Groner Landstr. 9 – die Pandemie führt immer wieder zu Infektionsherden. Während im Gebiet der Stadt und des Landkreises insgesamt die Ansteckungsgefahr sinkt, kommt es punktuell zu immer neuen Ausbrüchen. Das Virus treibt dabei sein Unwesen kaum im Ostviertel, es ist vor allem eine Bedrohung dort, wo Menschen ohnehin schon am Rande unserer Gesellschaft stehen. Hier scheint das Virus leichtes Spiel zu haben.
Nicht erst seit den Corona-Ausbrüchen in den Belegschaften von Fleischfabriken wissen wir, dass die damit einhergehenden prekären Wohnverhältnisse offensichtlich – neben dem engen Zusammensein vieler Menschen bei anderen Gelegenheiten – eine zentrale Rolle bei der Entstehung dieser Hotspots spielen. Wie sie übrigens bei vielen anderen Krankheiten auch mit ursächlich sein können. Und gerade Wohnhäuser wie das Iduna-Zentrum, die Groner Landstr. 9 und der Hagenweg sind bekannt für ihre Wohnsituation, in der Menschen bedrängt und eingeengt wie in Käfigbatterien leben.
Die Pandemie weist also unmissverständlich mit dem Zeigefinger in Richtung auf soziale Ungleichheit und schlechte Wohnverhältnisse als eine Ursache für massiert auftretendes Infektionsgeschehen. Dabei ist festzuhalten: In 77 deutschen Großstädten fehlen derzeit 1.9 Millionen Wohnungen – viele im Segment des guten, aber bezahlbaren Wohnraums. Auch in Göttingen fehlt Wohnraum.
Die Verantwortung für die Wohnverhältnisse tragen die Eigentümer und Vermieter, nicht die Kommunen. Es gibt aktuell kein rechtliches Instrumentarium um Zustände zu verhindern, die die Eigentümer aus reiner Profitgier zulassen. Wer vierköpfigen Familien für viel Geld ein 20 qm-Appartement in einem miserablen Zustand vermietet, der ist moralisch verantwortlich für die beengten und schlechten Wohnsituationen. Hier soll nur groß Kasse gemacht werden.
Die Göttinger SPD pocht deshalb darauf, dass Eigentum verpflichtet, verantwortlich mit ihm umzugehen. Wir werden den Finger immer wieder in diese Wunde legen und nicht aufhören, die mangelnde Verantwortlichkeit der Eigentümer und Vermieter zu brandmarken. Eine Gesellschaft, die zurecht Massendemos für einen sinnvollen Klimaschutz abhält, darf auch diese Zustände nicht tolerieren. Zukünftig wird jedoch das derzeit dem Niedersächsischen Landtag zur Beratung vorliegende Wohnraumschutzgesetz zumindest Qualitätsstandards setzen, die ein menschenwürdiges Wohnen ermöglichen. Dazu gehören z. B. der Schutz gegen Feuchtigkeit, ausreichende Belüftung, Entwässerung und ausreichende sanitäre Einrichtungen.
Allerdings kann ein größeres Angebot an bezahlbaren Wohnraum dafür sorgen, dass die Mietpreise sinken. Die Verantwortung dafür trägt die Politik. Deshalb muss die kommunale Hand noch stärker dafür sorgen, dass mehr sozialer Wohnraum geschaffen wird. Und sie muss selbst Wohnraum schaffen und anbieten. Strom, Wasser, ÖPNV und Wohnen sind die Bestandteile der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Der Markt richtet es hier eben nicht allein. Wir sind in Göttingen bisher einen Weg gegangen, der mit langem Atem fortzusetzen ist: Über das Bündnis für Wohnen wird Wohnraum geschaffen. Und wir liefern nicht alles dem Markt aus, sondern setzen die verpflichtenden Quoten von 15 Prozent bezahlbarer Wohnraum und 15 Prozent sozialer Wohnungsbau für jedes neue Bauvorhaben.
Angesichts der aktuellen sich verschärfenden Situation und der Erkenntnisse, die wir durch die Pandemie gewonnen haben, werden wir prüfen, ob diese Quoten ausreichen. Wenn nötig, werden sie erhöht. Eine Weiterentwicklung des kommunalen Wohnungsbaus ist bereits beantragt, hier werden wir politischen Druck machen, damit dies schneller geschieht.
Für uns ist zugleich aber auch wichtig, dass wir die Familien in den jetzt vor der Pandemie betroffenen Wohnblöcken nicht im Stich lassen. Dort muss weiterhin die gute Sozial- und Jugendarbeit stattfinden, die in den letzten Jahren verstärkt wurde und zumindest erste Erfolge verzeichnen konnte.
All das wird helfen, aber es wird auch Zeit kosten. Wir warnen vor denen, die nun glauben machen wollen, dass mit schnellen Patentrezepten scheinbar Wunder vollbracht werden können.