Jugendforen für die Stadt Göttingen

Antrag für den Jugendhilfeausschuss am 20. September 2018

Der Jugendhilfeausschuss möge dem Rat zur Beschlussfassung empfehlen:

Der Rat der Stadt Göttingen möge beschließen:

In Göttingen werden zukünftig regelmäßig Jugendforen abgehalten, die allen Göttinger Jugendlichen die Möglichkeit geben, nicht nur bei speziellen Jugendthemen, sondern bei allen kommunalpolitischen Gestaltungsprozessen mitzuwirken und sich einzubringen.

Die Verwaltung der Stadt Göttingen wird beauftragt, ein entsprechendes Konzept unter Beteiligung von Jugendlichen als Weiterentwicklung der bereits bestehenden Partizipationsverfahren zu erarbeiten und dies dem Jugendhilfeausschuss auf einer der nächsten Sitzungen vorzulegen.

Kriterien für die Jugendforen:

  • An den Jugendforen können alle Jugendlichen von 14 bis 17 Jahren aus dem Stadtgebiet teilnehmen. Die Einladung geschieht über die Stadt, parallel wird die Veranstaltung in jugendrelevanten Medien unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Netzwerke beworben.
  • Jugendforen leben durch Kontinuität, daher sollen sie für die Gesamtstadt mindestens einmal pro Halbjahr einberufen werden.
  • Einzelne Jugendforen können auch zu übergreifenden Themen wie z.B. Kultur oder Mobilität (und somit nicht nur zu „jugendspezifischen“ Themen) stattfinden.
  • Zusätzlich können in den Stadtteilen Jugendforen stattfinden, die sich spezifisch mit den sozialräumlichen Fragestellungen in dem jeweiligen Stadtteil auseinandersetzen.
  • Zwischendurch muss es den Jugendlichen ermöglicht werden, sich in Arbeitsgruppen zusammenzusetzen, in denen sie zu einem Thema oder Projekt inhaltlich arbeiten und die Foren gemeinsam vorbereiten können (Tagesordnung entwerfen, Expert*innen sowie Politiker*innen einladen etc.).
  • Auf den Foren tragen die Teilnehmer*innen der Vorbereitungsgruppe die dort ausgehandelten Themen und Anliegen vor und erhalten von eingeladenen Expert*innen und Politiker*innen anschließend eine Stellungnahme.
  • Die Foren werden von mindestens einer pädagogischen Fachkraft begleitet, die die Koordination und Moderation übernimmt. Sie fungiert als Mediator*in und leitet die Beschlüsse und die Forderungen der Foren an die entsprechenden politischen Gremien weiter.
  • Die Foren haben ein Recht darauf, dass ihre Beschlüsse und Forderungen von den zuständigen politischen Gremien zeitnah umgesetzt bzw. behandelt werden. Durch eine transparente, auf Augenhöhe mit den Jugendlichen geführte Diskussion und Offenlegung, welche Hinderungsgründe eventuell bestehen, muss die Arbeit der Foren grundsätzliche Wertschätzung erfahren.
  • Das Jugendforum sollte fortlaufend evaluiert werden. Insbesondere ist zu überprüfen, ob das Jugendforum tatsächlich einen integrativen und gleichberechtigten Rahmen bietet, ob das Konzept gegebenenfalls modifiziert oder ob eine ganz andere Beteiligungsform erprobt werden muss.

Begründung:

Wenn Jugendliche stärker in Politik einbezogen werden sollen, dann sind andere Beteiligungsformen notwendig, als ein Jugendparlament. Die Teilhabe Jugendlicher muss anders und umfassender geschehen als das in einem Jugendparlament möglich ist. Der Grund: Studien belegen, dass Jugendparlamente nicht zur stärkeren Politisierung aller Jugendlichen führen. Abgehängte und demokratieferne Jugendliche – und die sollen ja gerade erreicht werden – können nur zu geringen Teilen motiviert werden. Angesprochen werden vor allem schon politisierte Jugendliche aus den Mittelschichten. Wichtig wären deshalb integrative Ansätze, an denen sich tatsächlich alle Jugendlichen beteiligen können. Dazu gehören vor allem Formen der direkten Partizipation.

Direkte Partizipation kann dazu beitragen, Kinder und Jugendliche erfolgreich in demokratische Verfahren einzubinden. Sie ist auch eine sehr wichtige pädagogische Aufgabe, weil durch Partizipation nicht nur wichtige Lernziele der politischen Bildung (Mündigkeit, Emanzipation etc.) erreicht werden können, sondern dem Abgleiten in typische Desintegrationsprozesse vorgebeugt werden kann. Partizipation hat eine präventive Funktion, d.h., sie schafft einen außerordentlichen Beitrag zu einer erfolgreichen Inklusion von Kindern und Jugendlichen.

Zwingend erforderlich ist, dass die Forderungen der Jugendlichen ernst genommen und politisch umgesetzt werden bzw. ihnen verständlich gemacht wird, warum und aus welchen Gründen eine bestimmte Forderung nicht umgesetzt werden kann. Dabei erweist sich der Grund „kein Geld da“ stets als äußerst unverständlich. Demotivierende Ausgestaltungen sollten in jedem Fall vermieden werden. Der Alibi-Effekt einer solchen Partizipationsform muss zwingend verhindert werden, damit eine kontinuierliche Beteiligung aller Jugendlicher beibehalten wird.

Erfahrungen aus anderen Städten zeigen darüber hinaus, dass die gesamte Durchführung wertschätzend und niedrigschwellig gestaltet sein muss. Dazu gehört bereits der Ort der Durchführung, denn die Wahl ist symbolisch und deshalb nicht zu unterschätzen. Geeignet sind deshalb vor allem Räume, in denen sich die Beteiligten wohl fühlen können und die bei ihnen einen guten Ruf genießen. Finden die Foren in irgendwelchen Hinterzimmern statt, fühlen sich die Jugendlichen nicht wohl, nicht ernst genommen und nehmen dann schnell nicht mehr teil.

Darüber hinaus ist die Zurückhaltung der anwesenden Erwachsene, Politiker*innen, Expert*innen und Verwaltungsmitarbeiter/innen zwingend erforderlich. Vor allem die Verwaltungsmitarbeiter/innen fungieren als MediatorInnen und müssen feinfühlig genug sein, so dass die Jugendliche ohne Zwang Themen aufwerfen, Fragen stellen, sich austauschen und diskutieren können und dabei eine elitengesteuerte Interessenvertretung verhindert werden.

Generell lässt sich feststellen, dass die niedrigschwelligen und direktere Partizipationsform eines Jugendforums von Angehörigen unterschiedlichster Schichten genutzt werden. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zur Integration von Kindern und Jugendlichen in die Gesellschaft.

Insgesamt bleibt aber darüber hinaus in den sozial eher benachteiligten Stadtteilen eine Kombination aus Foren und Projektarbeiten sinnvoll. Während von sozialpädagogischer Seite Unterstützung in sozialen Fragen gegeben wird, sollen die Foren die Möglichkeit bieten, den Jugendlichen Gehör für ihre individuellen Anliegen und Interessen zu verschaffen

Beteiligungsformen in Form von Jugendforen für Jugendliche sind sehr vielversprechend. Immer wieder konnten sie zeigen, dass sie ihre Anliegen fair und ohne Ressentiment und Konkurrenzgehabe in die Öffentlichkeit transportieren können. Dabei sind sie sogar in mehrfacher Hinsicht in der Expert*Innenrolle: Zunächst einmal sind sie es, die ihre eigenen alltäglichen Anliegen am authentischsten in die Öffentlichkeit transportieren können. Und auch methodisch scheinen sie intern realistische Verbesserungsvorschläge einbringen zu können. Nichts scheint sie deshalb so sehr zu motivieren wie die Möglichkeit, selbst an Entscheidungsprozessen teilnehmen und teilhaben, an die Öffentlichkeit treten zu können und Stellungnahmen zu den eigenen Anliegen einzufordern.