Im November 2021 sind die Grünen aus den Gesprächen mit der SPD zur Bildung eines Haushaltsbündnisse ausgestiegen. Da aktuell offenbar gerade eine Legendenbildung über diesen Vorgang und die dahinter stehenden Gründe stattfindet, wollen wir hier klarstellen, was wirklich passiert ist: Nicht die SPD, sondern die Grünen haben den Klärungsprozess über die Eckpunkte eines Bündnisses beendet. Zum Beleg dokumentieren wir hier den Schriftverkehr zu diesem Prozess. Zugleich haben wir eine Bitte: Liebe Grüne. Wir wollen miteinander gut im Rat arbeiten. Lasst uns fair und transparent bleiben.“
1. Brief des SPD-Fraktionsvorstandes an den Vorstand
von Bündnis90/Die Grünen im Rat der Stadt Göttingen
An den Vorstand der Bündnis90/Die Grünen Ratsfraktion
Göttingen, den 24. November 2021
Liebe Kolleg*innen der Grünen,
wir danken zunächst für die Möglichkeit, ausführlich Sondierungsgespräche führen zu können. Unsere Beratungen haben ergeben, dass wir uns grundsätzlich vorstellen können mit Euch zusammenzuarbeiten. Für uns ist dabei wichtig – und das ist eine Voraussetzung um dabei mit Euch zusammenzuarbeiten zu können – dass noch einige Fragen geklärt werden können. Es geht dabei um die Frage der jeweiligen politischen Profilierungsmöglichkeiten für beide Seiten und der damit verbundenen Finanzierungsnotwendigkeiten. Das bedeutet, in einigen Bereichen die Handschrift des einen Partners deutlicher wird, ohne dabei dem anderen Partner unzumutbare Zugeständnisse abzuverlangen.
Wir gehen dabei davon aus, dass es euer Interesse ist, vor allem im Bereich Klimapolitik Profil zu zeigen. Im Gegenzug bedarf es aus unserer Sicht jedoch auch Korridore für uns, um uns zu profilieren. Diesen Korridor sehen wir vor allem im Bereich der Wohnungsbau- und Sozialpolitik. Vor diesem Hintergrund bitten wir euch, von euch geplante Maßnahmen für den Klimaschutz zu konkretisieren und mit einem bindenden Finanzvolumina zu versehen. Für uns muss der finanzielle Rahmen dieses Klimaschutzpaket ersichtlich sein. Ziel muss es aus unserer Sicht sein, dieses Klimaschutzpaket von vornherein zu kennen und eine Verhandlungsgrundlage zu haben, damit auch wir Klarheit darüber haben, dass unsere politischen Profilierungsfelder über die Haushalte stattfinden können und wir nicht in eine mehrjährige Phase von ständigen Nachverhandlungen eintreten. Darüber hinaus übersenden wir euch unsere Liste der Big Points und bitten noch mal um kurze Kommentierung mit Blick auf politische Machbarkeit, da wir uns an einigen Stellen nicht sicher sind, ob es bei politischen Konflikten auch die Bereitschaft zu Kompromissen gibt.
Vielen Dank im Voraus!
Fraktionsvorstand SPD Göttingen
2. Am 26. November 2021 reagierten Partei und Stadtratsfraktion der Grünen Göttingen mit einem Brief per Mail und einer Pressemitteilung.
Brief
Antwort auf euer Schreiben vom 24.11.2021
Liebe Kolleg*innen der SPD, eure Stellungnahme und die „Big Points“ sind bei uns per E-Mail eingegangen. Vielen Dank, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt, eure Position zu verschriftlichen. Euer Standpunkt ist uns durch die Gespräche, die wir geführt haben, nach und nach deutlich geworden. Die Verschriftlichung bringt zusätzlich Klarheit. Zur Aufstellung eines verbindlichen Rahmens für die Klimamaßnahmen bedarf es, wie heute schon von uns mündlich ausgeführt, der Vorarbeiten der Verwaltung. Infolgedessen ist uns eine kurzfristige Konkretisierung der von Euch gewünschten Angaben nicht seriös möglich, werden aber sowieso erarbeitet werden müssen. Gerade angesichts dessen, dass Ihr den Aspekt der Verlässlichkeit sehr betont habt, wünschen wir uns, dass der Finanzrahmen für die Investitionen mit der notwendigen Sorgfalt erstellt wird. Das kann nur gemeinsam mit der Verwaltung erfolgen und braucht seine Zeit. Allerdings hattet Ihr ja auch mitgeteilt, dass Ihr Euch die grundsätzlich mögliche Annäherung insgesamt eher als Prozess eines Zusammenwachsens vorstellt. Bei den Big Points, die zwar schon besprochen wurden, aber in der Kürze nochmal profilierter dargestellt sind, bildet die Aufstellung eine gute Grundlage, unsere eigenen Positionen konkret abzugleichen. Angesichts der Zusammenarbeitsmöglichkeiten, aber auch Abweichungen wird es sicherlich zu einem weiteren Austausch kommen. Wir wollen uns dafür bedanken, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, und wollen selbstverständlich gerne weiter mit Euch im Gespräch bleiben. Wir sehen aber jetzt auch unsere Zeit für gekommen an, die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien parallel weiterzuentwickeln. Des Weiteren werden wir den aktuellen Stand presseöffentlich kommunizieren.
Viele Grüße
Suse Stobbe und Rolf Becker,
Fraktionsvorsitzende sowie der Stadtvorstand Bündnis 90/DIE GRÜNEN Göttingen
3. Presseerklärung:
Die Pressemitteilung wurde kurz nach der E-Mail an uns versandt. Es gab keine Zeit für uns zu reagieren.
Aktuell kein weiteres Haushaltsbündnis
Mit Bedauern müssen Partei und Stadtratsfraktion der Grünen feststellen, dass es trotz intensiver Bemühungen bisher nicht gelungen ist, Einvernehmen über ein tragfähiges Bündnis im Stadtrat mit der SPD herzustellen.
Die Grünen sind mit dem Ziel auf die SPD zugegangen, das Haushaltsbündnis der vergangenen Jahre mit der SPD mit neuen Zielen fortzusetzen. In mehreren intensiven Gesprächen wurden wesentliche Vorhaben der nächsten Wahlperiode und ihre Gewichtung thematisiert. Aus Sicht der Grünen gab es genügend Ansatzpunkte, um ein Haushaltsbündnis, das auch die neue Oberbürgermeisterin stützt, zu wagen und die Herausforderungen in einer verbindlichen Zusammenarbeit gemeinsam anzugehen.
Das Angebot der Grünen wurde von Anfang an mit Zurückhaltung aufgenommen.
Aktuell macht die SPD die Zusammenarbeit u.a. von bindenden Finanzvolumina für von Seiten der Grünen geplante Maßnahmen für den Klimaschutz über die gesamte Wahlperiode abhängig. Diese können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben werden. Aus unserer Sicht muss zur Beurteilung des Finanzierungsbedarfs im ersten Schritt insbesondere der Investitionsbedarf für die Umsetzung des im Rat verabschiedeten Klimaplans 2030 von der Verwaltung im Zukunftsinvestitionsprogramm eingepreist werden. Anschließend muss fachlich geprüft werden, ob mit den von der Verwaltung vorgelegten Maßnahmen die Klimaziele zu erreichen sind.
„Im Landkreis haben SPD und GRÜNE es geschafft, nach den Kommunalwahlen eine verbindliche Zusammenarbeit zu vereinbaren – wie auch in vielen anderen Kommunen Niedersachsens, zum Beispiel in Osnabrück. Aus unserer Sicht wäre z.B. eine Fortsetzung des bisherigen Haushaltsbündnisses wünschenswert gewesen. Das würde einerseits klar dem Wähler*innenwillen entsprechen. Andererseits würde damit in den kommenden Jahren, die klimapolitisch entscheidend sein werden, eine stabile, gemeinsame Grundlage geschaffen für eine soziale und ökologische Stadtpolitik und die Weiterentwicklung der Verwaltung.“ so Ute Reichmann vom Stadtvorstand.
Als Partei und Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen nehmen wir zur Kenntnis, dass die SPD aktuell zu verbindlichen Zusagen und einer Zusammenarbeit nicht bereit ist.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Daher werden wir nun unseren Wähler*innenauftrag als stärkste politische Kraft wahrnehmen, indem wir die dringenden Herausforderungen in unserer Stadt mit allen anderen Ratsfraktionen gemeinsam angehen, beispielsweise den Haushalt 2022, die Personalentwicklung, die Umsetzung des Klimaplans 2030, die Personalentwicklung, die Digitalisierung des Rathauses, Mobilität als Daseinsvorsorge, preiswertes Bauen in lebenswerten Quartieren und die Sicherstellung einer guten Bildung in sanierten Gebäuden.“ so Rolf Becker, Co-Fraktionsvorsitzender der Ratsfraktion. „Dass wir natürlich weiter daran arbeiten wollen, die Zusammenarbeit mit der SPD so gut wie möglich weiterzuentwickeln, versteht sich von selbst.“
Link zur PM der Grünen von damals: